Zur Einordnung
120 Jahre sind in der Geschichte nur eine kurze Spanne Zeit; eine Zeit von vier, fünf Generationen. Wenn wir aber aus dem Hier und Jetzt 120 Jahre zurückblicken, so finden wir eine uns fremde und unbegreifliche Welt. Es war die Welt unserer Ur- und Ururgroßeltern.
Damals verstand man unter Fluggästen Menschen in einem Korb unter einem Ballon, Hafenbilder zeigten mehr Masten als Schornsteine, und die PS-Zahl von Verkehrsmitteln konnte man noch direkt abzählen. Zu der Zeit zogen Soldaten in knallbunten Uniformen in Kriege, um Grenzen zu verschieben, die in den Atlanten oft an ganz anderer Stelle verliefen als heute. In St. Petersburg, das heute wieder so heißt, saß ein Zar, und am Bosporus ein Sultan, und in Brasilien lag die Kaiserzeit nur wenige Jahre zurück. Es gab damals hunderttausende von Menschen, die noch wussten, was es hieß, Sklave und Leibeigener gewesen zu sein. Doch es kündigten sich auch neue Strömungen und Techniken an. In Athen traf sich eine Anzahl von für die damalige Zeit skandalös kurzbehosten Männern, die rannten, sprangen und mit Gegenständen warfen und das die 1. Olympischen Spiele der Neuzeit nannten. Den Zeitungen konnte man entnehmen, dass man in verschiedenen europäischen Großstädten Etablissements eingerichtet hatte, in denen durch einen sogenannten kinematographischen Apparat bewegliche Bilder erzeugt wurden.
Aber nicht nur in den Metropolen kamen neue Entwicklungen auf. Auch hier vor Ort in Barop wollte man Neues schaffen und seine Zukunft mitbestimmen. Es fand sich eine Anzahl Männer – die Frauen durften noch nicht – zusammen, die diskutierten, sich organisierten, sich stritten, die agitierten, Siege feierten und Niederlagen einstecken mussten; und die das protokollierten und niederschrieben.
Darüber und was sich daraus entwickelte zu berichten, ist eine nicht sehr leichte Aufgabe. Das Netz, das sich zwischen damals und heute spannt, ist oft recht grobmaschig und an vielen Stellen durch die Stürme der Zeit zerrissen.
Manches war für die Beteiligten zu unwichtig, um niedergeschrieben zu werden, manches zu wichtig und gefährlich, um niedergeschrieben werden zu dürfen. Vieles prägte sich ein, wurde erzählt, um schließlich doch vergessen zu werden. Manchmal war man gewissenhaft, dann wieder recht schludrig. Und immer wieder griffen Kräfte von außen ein, verboten, beschlagnahmten, vernichteten. Wenn hier über die 120 Jahre Geschichte der Baroper Sozialdemokratie erzählt wird, so malen wir ein Bild, das nicht frei ist und nicht frei sein kann von Lücken, subjektiven Empfindungen und Verzerrungen.